Integration

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Integration durch Leistung? Na gut, her damit liebe ÖVP!

Sebastian Kurz hat sein zentrales Versprechen, das er als damaliger Staatssekretär für Integration abgegeben hat, in den letzten Jahren zugunsten der eigenen Stimmenmaximierung fortlaufend gebrochen. Es wäre Zeit, dass Österreich zu einer Integrationspolitik gelangt, bei der Vernunft und Anstand im Fokus stehen.

‚Integration durch Leistung‘ – das war der zentrale Leitspruch von Sebastian Kurz als er 2011 Staatssekretär für Integration wurde. Menschen sollten nicht nach ihrer Herkunft, Sprache, Religion oder Kultur beurteilt werden, sondern danach, was sie in Österreich beitragen wollen und auf diesem Weg unterstützt werden. Anlässlich einer Veranstaltung zum einjährigen Jubiläum des Staatssekretariats verteidigte und konkretisierte Kurz seinen Slogan gegenüber damaliger Kritik: „Wir fordern einen Dreiklang: Leistung einfordern, Leistung anerkennen, Leistung ermöglichen.“ Außerdem sei nicht der Erfolg, sondern das Bemühen wichtig.

Tatsächlich konnte man bei dem immer wieder verlautbarten Credo schon damals manchmal den Eindruck gewinnen, dass die ebenfalls zu berücksichtigenden Herausforderungen für die zugewanderten Menschen auf Ihrem Integrationsprozess in Österreich von ÖVP-Seite oftmals allzu locker ausgeblendet wurden. Da war aber nun zumindest jemand, der sich dem Integrationsthema nach jahrzehntelangen Versäumnissen der österreichischen Politik endlich anzunehmen schien und man konnte dem Ansatz auch durchaus einiges abgewinnen.

Das Versprechen

Diejenigen, die unsere Sprache erlernen, sich zu unseren Werten und zum Rechtsstaat bekennen, einer Ausbildung oder Arbeit nachgehen, sich nichts zu Schulden kommen lassen und sich gut in die für sie neue Gesellschaft einfügen, sich also durch eigene Leistungen integrieren, sollten profitieren.

Der Staat würde sich im Gegenzug dazu verpflichten, die zugewanderten Menschen auf dem Weg der Integration zu unterstützen. Etwa genügend Deutschkurse anbieten und den zugewanderten Menschen Ausbildung und/oder Arbeit ermöglichen, ja, dies sogar fördern und damit auch dem Fachkräftemangel für die Unternehmen in Österreich mildern. Durch ein faires Bildungssystem dafür sorgen, dass niemand einfach zurückgelassen wird und zugewanderte Frauen durch Integrationsmaßnahmen bei ihrer Selbstermächtigung unterstützen. Er würde die wertvolle Integrationsarbeit von NGOs und der Zivilgesellschaft wertschätzen und unterstützen und Rassismus auf allen Ebenen entschieden entgegentreten.

Leider ist die Regierung Kurz diesen Aufgaben in den letzten Jahren in keiner Weise nachgekommen. Zu verlockend war es augenscheinlich, beim Thema Migration/Integration auf den populistischen Zug aufzuspringen, um die Wählerstimmen für die nun türkise ÖVP zu maximieren.

Die Bilanz

Mittel für Deutschkurse wurden gestrichen, Arbeit für Asylwerber_innen weiterhin verboten, Lehrlinge abgeschoben und Unternehmen damit echter Schaden zugefügt, Ziffernnoten wieder eingeführt anstatt weitreichende Reformen für ein faires Bildungssystem anzugehen. Statt zugewanderte Frauen bei der Selbstermächtigung durch konkrete Maßnahmen zu unterstützen wurden symbolische Kopftuchdebatten angeheizt, das Integrationsjahr wurde abgeschafft und der 1 Euro 50 Stundenlohn für Flüchtlinge geplant. Die rassistischen Umtriebe innerhalb eines Koalitionspartners wurden allzu oft geduldet, NGOs verunglimpft, die unabhängige Rechtsberatung für Asylwerber_innen abgeschafft und bei staatlichen Leistungen nach der Herkunft unterscheiden. Das ist die Bilanz der Regierung Kurz beim Thema Integration.

Integration mit Herz und Hirn wäre wünschenswert

„So sind wir nicht!“ möchte man auch in diesem so wichtigen Zukunftsbereich nach dem Zerfall der türkis-blauen Koalition sagen können. Nachdem eine weitere Koalition mit der FPÖ, die täglich tiefer im Korruptionssumpf versinkt, von Tag zu Tag unvorstellbarer erscheint, bestünde nun die Chance für einen Wechsel hin zu einer Integrationspolitik mit Herz und Hirn.

Dass die ÖVP tatsächlich dazu bereit ist, muss angesichts des politischen Gezerres rund um den Umgang mit Asylwerbern in Lehre vorerst allerdings bezweifelt werden. Der vorliegende Plan der ÖVP, die jungen Menschen dann halt unmittelbar nach der Lehrabschlussprüfung abzuschieben, zeigt, dass die Partei beim Thema Integration weiterhin lieber Härte ausstrahlt anstatt vernünftige Lösungen im Sinne der betroffenen Unternehmen und Menschen voranzubringen. Für die Grünen, die sich hier seit den begonnenen Koalitionsverhandlungen plötzlich sehr bedeckt halten, kann auch diese Frage zu einem echten Lackmustest werden.

Es wäre mehr als wünschenswert, wenn Österreich in den nächsten Jahren zu einer vernuftbegabten Integrationspolitik gelangen würde. Diese würde sowohl die Herausforderungen wie auch die Chancen beim Thema Zuwanderung erkennen. Bei dieser bestünden sowohl auf Seite der Aufnahmegesellschaft und ihrer Institutionen wie auch auf Seite der zugewanderten Menschen Rechte und Pflichten, die es einzuhalten gilt. Wenn man dies als ‚Integration durch Leistung‘ bezeichnen möchte, dann bitte her damit liebe ÖVP!