Integration

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Fehlende Maßnahmen zur Integration und mangelnde Chancen-Gerechtigkeit sind Gift für unsere Gesellschaft – Was ist zu tun?


Während die Gespräche zur Bildung einer neuen Bundesregierung im Laufen sind und beim im Wahlkampf dominanten Thema Klimaschutz insofern Einigkeit herrscht, als es hier nun weitreichender Lösungen bedarf, rücken auch die Themen Integration und Bildung wieder stärker in den Vordergrund. Echte und weitreichende Lösungsvorschläge sind auch hier ein Gebot der Stunde.

Der vor kurzen präsentiere Integrationsbericht 2019 hat mit der Feststellung für Aufregung gesorgt, dass hierzulande der Anteil von Schüler_innen, die zuhause eine andere Sprache als Deutsch sprechen, im OECD-Vegleich unverhältnismäßig hoch ist. Rund ein Viertel aller Schüler_innen in Österreich und rund die Hälfte der Schüler_innen in Wien haben eine andere Umgangssprache.

Hierbei ist allerdings eine differenzierte Betrachtung angebracht. Die Zahlen alleine sagen per se noch nichts über die tatsächlich vorhandenen Deutschkenntnisse aus. Manche Schüler_innen sind erst seit kurzem in Österreich und haben rasch Fortschritte gemacht, manche sind schon lange hier und haben nach wie vor starke Defizite. Alleine auf die Herkunft abzustellen ist daher zu kurz gegriffen. Noch entscheidender für den Bildungsfortschritt ist leider nach wie vor der sozioökonomische Hintergrund der Eltern.

Diese Feststellung korreliert auch mit den Ergebnissen einer neuen OECD-Studie im Auftrag des Sozialministeriums zum Thema soziale Mobilität. Während man in Österreich als Nachkomme aus Familien mit sehr niedrigen Einkommen fünf Generation benötigt, um das Durchschnittseinkommen im Land zu erreichen, gelingt dies etwa in Dänemark in nur zwei Generationen. Alarmierend sind in diesem Zusammenhang auch die Arbeitslosenzahlen bei Migrant_innen in Österreich. Sie sind laut Integrationsbericht 2019 mit 11,3 Prozent deutlich öfter als Österreicher_innen  (6,7 Prozent) betroffen.

Solche Aussichten sind Gift für unsere Gesellschaft, die im Übrigen selbstverständlich schon lange eine Einwanderungsgesellschaft ist. Auch wenn sich die Zahl der neu zugewanderten Menschen aufgrund des Rückganges der Asylantragszahlen in den letzten beiden Jahren verringert hat, bedeutet dies nicht, dass sich die Anzahl der zu integrierenden Menschen verringert hat. Es verschiebt sich bloß der notwendige Fokus von unmittelbaren Maßnahmen bei der Ankunft in Österreich hin zu einer langfristigen und nachhaltigen Integrations- und Bildungspolitik. 

Was ist zu tun?

Massiver Ausbau und Investitionen im Elementarbereich: Der Kindergarten muss als erste und wichtigste Bildungsstätte anerkannt werden. Notwendige Maßnahmen hierzu umfassen eine Senkung des Betreuungsschlüssels, eine bessere Ausbildung und Bezahlung der Elementarpädagog_innen, den Rechtsanspruch für Eltern auf ganztägige Kinderbetreuung, durchgängige Konzepte für den Übergang von Kindergarten zu Volksschule und eine Ausweitung der Arbeit mit den Eltern und von familienunterstützenden Angeboten.

Integration muß von Anfang an stattfinden: Asylwerber_innen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit müssen sofort Deutschkurse besuchen können und nach 6 Monaten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Die Abschaffung des Integrationsjahrs durch Türkis-Blau sollte rückgängig gemacht werden und die Werte- und Orientierungskurse praxisnah weiterentwickelt und ausgebaut werden. Ein eigener Fokus soll auf  Maßnahmen zur Integration und Selbstermächtigung von Frauen gelegt werden.

Schule neu denken und Ressourcen ausweiten: Angesichts des Zustandes unseres Bildungssystems ein sehr weites Feld, das beackert werden muss. Einige zu erwähnende Maßnahmen wären etwa die Entrümpelung des Lehrplans,  der Einsatz von kompetenzorientiertem Unterricht und fächerübergreifender und themenorientierter Projekt- und Teamarbeiten, volle Schulautonomie, verpflichtende Fortbildungen von Lehrer_innen, auch in den Bereichen kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit, multiprofessionelle Teams an den Schulen, mehr Unterstützungspersonal im administrativen Bereich und in den Klassen. Um moderne Unterrichtsmethoden, ganztägige Schulformen sowie zeitgemäße Arbeit der Lehrer_innen zu ermöglichen, braucht es die notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen. Insbesondere in Wien braucht es eine massive Aufstockung  von Schulpsychologe_innen und Sozialarbeiter_innen, die Ermöglichung von Kleingruppen und muttersprachlichem Unterstützungspersonal sowie eine faire Verteilung der Bildungschancen durch die Einführung eines Chancen-/Sozialindex für mehr Ressourcen an Schulen, die aufgrund der sozio-ökonomischen Zusammensetzung der Schülerschaft vor besonderen Herausforderungen stehen (Stichwort „Brennpunktschulen“). Darüber hinaus müssen ganztägige und verschränkte Schulformen flächendeckend ausgebaut werden und neue und innovative Instrumente für das Zusammenwirken von Schulleitung, Lehrer_innen, Schüler_innen und Eltern eingeführt werden.

Enge Vernetzung von Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik: Dies reicht vom Ausbau von berufsorientierten, fachspezifischen Deutschkursen, der raschen Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen, der Förderung von Schulungen für Diversität und Antidiskriminierung in den Betrieben, der Erweiterung der Mangelberufsliste bis hin zur Förderung von Berufsorientierungsmaßnahmen und Berufseinstiegsbegleitung,

Fokus auf Bildung und Ausbildung: Für neu zugewanderte Jugendliche über 15 Jahre, die aus dem Regelschulbetrieb fallen, braucht es einen eigenen modularen Bildungsplan. Weitere wichtige Maßnahmen wären die Förderung von Mentoringprogrammen und Lernhilfeangeboten, die Ermöglichung der Lehre für junge Asylwerber_innen und eine Stärkung der Jugendarbeit mit den unterschiedlichen Zuwanderungsgruppen.

Etablierung eines Wiener Integrationsbeauftragten: Um dem Thema Integration auf politischer Ebene den angemessenen Fokus zu geben, wäre insbesondere in Wien die Einführung eines Integrationsbeauftragten wünschenswert, der für die Stadtregierung koordinierende, ressortübergreifende Funktionen für die Schnittstellen im Integrationsbereich übernimmt.  

Bildung und Integration entscheiden maßgeblich über ein gelingendes Leben der Menschen. Mangelnde Chancengerechtigkeit gefährdet zudem den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, sie produziert enorme Folgekosten und ist schlecht für die Innovationskraft und die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Es wäre schlichtweg unerträglich zusehen, wie wir tausende Kinder und Jugendliche im Bildungssystem zurücklassen und fehlende Integrationsmaßnahmen dazu führen, dass zugewanderte Menschen, die integrationswillig sind und an der Entwicklung unseres Landes teilhaben wollen, weiterhin Spielball für die Angstpolitik von rechten Hetzern bleiben. Integrationspolitik muss mit Vernunft und Menschlichkeit betrieben werden. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen!